Vorwärts-Abwärts und Dehnungshaltung

Einleitung

Das Thema "Vorwärts-Abwärts" und der damit einhergehenden "Dehnungshaltung" wird allerorten sehr kontrovers diskutiert. Es ist ein heikles Thema, und je nachdem welcher reiterlichen Kaste man sich zugehörig fühlt, muss man entweder Beführworter oder Ablehner sein. Und steht damit sofort in krassem Widerspruch zur jeweils anderen Fraktion. Man ist konfrontiert mit rigoroser Ablehnung gegenüber offensichtlich plausiblen Argumenten, welche die andere Seite einfach nicht gelten lassen, ja zum Teil nicht einmal hören will.

Möglicherweise entspricht dieses Verhalten auch der gegenwärtigen allgemeinen gesellschaftlichen Verfassung, wo eine Debattenkultur durch sachliche Diskussionen praktisch nicht mehr existiert. Wo Spaltungstendenzen offensichtlich zu Tage treten, aber Gemeinsamkeiten nicht mehr wahrgenommen werden.

Für die einen ist das Reiten im "Vorwärts-Abwärts" ein Allheilmittel und unverzichtbare Methode zur Pferdeausbildung, für die anderen Teufelswerk, das sich in Reitkunst und Sportreiterei eingeschlichen hat, um zu verhindern, dass weder Pferd noch Reiter jemals den heiligen Gral der Versammlung erreichen können.

Will man trotzdem dem Thema aufgeschlossen gegenüber auf den Grund gehen, so fällt (mir) zunächst einmal auf, dass die Begriffe, um die es hier gehen soll, nur sehr schwer in der Literatur der alten Meister (bis Ende des 19. Jahrhunderts), aber auch danach überhaupt zu finden ist.

Erst in den Richtlinien der deutschen FN gibt es ein eigenes Kapitel darüber, aus dem hervorgeht, wie es ausgeführt wird und was darunter zu verstehen ist. Die Frage stellt sich zwangsläufig denen, die ihr Pferd nach altbewährten Methoden ausbilden möchten: Haben die Reitmeister aus früheren Epochen das etwa nicht gewusst?

Auch aus physiotherapeutischer Sicht können, so hat es den Anschein, biomechanische Zusammenhänge mal für und mal gegen die Dehnungshaltung durch Reiten im "Vorwärts-Abwärts" ausgelegt werden. Dabei werden z.B. nach wissenschaftlichen Prinzipien durchgeführte Messungen der Widerrist bzw. Rückenhöhe in verschiedenen Haltungsposen des Pferdes gemessen und gegenübergestellt.

Dabei wird z.B. die Frage erörtert, ob sich der lange Rückenmuskel überhaupt dehnen kann, und welchen Vorteil es in dem Fall überhaupt haben kann. Macht Dehnen überhaupt Sinn oder führt es eher zu Verletzungen, berücksicht man neuere Studien aus der Humanmedizin?

Die übermässige Belastung der Vorhand durch das Reitergewicht und der dadurch entstehende Verlust der Balance werden unter anderem vorgetragen.

Alles in Allem ein schwiereiges Thema, insbesondere wenn man um die Sorge um die richtige und gesunderhaltende Ausbildungsmethode zwischen den Stühlen zu sitzen glaubt.

Offensichtlich ist ein grösseres Problem, dass Begriffe verwendet werden, die in den Köpfen unterschiedliche Bedeutungen haben. Ein Phänomen, das nicht nur in der Pferde- und Reiterausbildung zu beobachten ist, sondern in allen Lebens- und Berufsbereichen auftritt. Oft werden deshalb Glossare mit fachlichen Metadaten angelegt, die für alle Beteiligten die Bedeutung von Fachbegriffen eindeutig definiert.

Einige Autoren versuchen die Definition von Fachbegriffen, andere setzen entsprechende Kenntnisse voraus und verwenden auch abgeleitete Begriffe in ihrer Therminologie. Im folgenden werden die Ausführungen verschiedener Autoren zum Thema wiedergegeben und analysiert. Zunächst sollen wichtige Begriffe im Sinne der "wirklich" alten Meister definiert werden. Diese haben sie schliesslich zuerst verwendet.

"Denn nur indem man sich über das Bekannte völlig verständigt hat, kann man miteinander zum Unbekannten fortschreiten."

Natürliche Haltung, natürliche Bewegung, natürliche Richtung, natürliches Gleichgewicht

"Natürlich" wird eine Haltung des Pferdes genannt, die ein Pferd einnehmen würde, wenn es ohne Reitergewicht und ohne reiterliche Einwirkung steht oder sich fortbewegt. In dieser Haltung steht oder geht es dann auch in seinem natürlichen Gleichgewicht.

Die Definition geht auf Stallmeister wie Ernst Friedrich Seidler (1798-1865) oder Louis Seeger (1794-1865) zurück, beide Schüler des legendären Oberbereiters der Hofreitschule zu Wien, Max Ritter von Weyrother (1793-1833).

Natürliche Haltung nach Seidler

In Seidler's Werk ist nebenstehende Grafik zu finden, die das Pferd in seiner natürlichen Haltung darstellt.

Das rohe (ungerittene) Pferd hat die Nase vorgestreckt, die Ganasche liegt nicht an den Unterhalsmuskeln an, die Ohrspeicheldrüse hat ihre Lage auf der inneren Seite der Ganasche, das Genick hat eine Biegung rückwärts, die Halswirbel bilden einen Bogen abwärts, der Hals ist lang und gestreckt.

Das untere Ende des Schulterblatts schiebt sich schräg nach vorn und unten und drückt auf das vordere Ende des Oberarms, das Buggelenk bildet einen spitzen Winkel. Der Vorderfuss steht hinter der Senkrechten.

Die Rückenwirbelsäule ist nach dem Widerrist zu niedricher, steigt nach der Lendengegend, zeigt dort sogar eine bogenförmige Steigung vom Boden aus gesehen.

Der Hinterfuss steht bedeutend zurück, oft nicht einmal bis zur senkrechten Linie des Hüftgelenks, das Kniegelenk ist noch hinter der senkrechten Linie der Hüfte, das Sprunggelenk gestreckt, überhaupt alle Gelenke der Hinterhand bilden stumpfe Gelenke, die vermehrte Schwere des Pferdekörpers neigt sich nach vorn.

Natürliche Haltung der Wirbelsäule

Seeger macht die natürliche Richtung des Pferdes an der Lage der Wirbelsäule fest. Durch ihre Stellung und Richtung bestimmt sie die Stellung des gesamten Pferdekörpers. Die Wirbelsäule ist zwischen den Schultern niedriger gestellt, als hinten am Kreuz. Dabei muss man die Linie betrachten, welche durch die Wirbelkörper gebildet wird.

Die Nase des Pferdes ist in der natürlichen Haltung, die sowohl im Stand als auch in der Bewegung gilt, auf Höhe des Hüftgelenkes. Diese Position des Kopfes ist die immer wieder genannte tiefe Stellung, in welche das Pferd auch unter dem Reiter gebracht werden soll.

Das natürliche Gleichgewicht bezieht sich auf diese natürliche Haltung des Pferdes, bei der es ca. 55% seines Gewichtes auf der Vorhand und ca. 45% seines Gewichts auf der Hinterhand ausbalancieren muss. Ohne Reitergewicht stellt diese Gewichtsverteilung kein Problem dar, es entspricht doch der Natur des Pferdes.

Ziel jeder reiterlichen Ausbildung des Pferdes ist zunächst, diese natürliche Haltung im Stand und in der Bewegung sowie das damit einhergehende natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen. Bevor dies nicht gefestigt ist, darf keine weitere Ausbildung mit entsprechender Einwirkung erfolgen.

Kontext Alte Meister

Im folgenden Abschnitt wird das Thema "Vorwärts-Abwärts" in "Dehnungshaltung" aus Sicht der Alten Meister und deren literarischen Werke beleuchtet. Deren Reitlehre wird analysiert und mit den preussischen Reitvorschriften für das Militär verglichen. Die heute allgemein gültige Reitlehre der deutschen FN ist aus diesen hervor gegangen. Das entsprechende Standardwerk, die Richtlinien für Reiten werden auf historische Kompatibilität hin untersucht.

François Robichon de la Guérinière

Ecole de Cavallerie (1736)

Auch Guérinière definiert zunächst in einem eigenen Kapitel die Begriffe an sich, bevor er für den praktischen Gebrauch auf sie näher eingeht.

"Nichts trägt mehr zur Kenntnis einer Kunst oder Wissenschaft bei, als wenn man die ihr eigenen Kunstwörter versteht. Die Reitkunst hat ihre ganz besonderen ...

Im Zusammenhang mit dem Thema wird im Kapitel über Kunstwörter das "rendre la main", also das Nachgeben der Hand beschrieben. Dabei wird die Hand, welche die Zügel hält, tiefer gestellt, um dem Pferd das "Gefühl" zu mindern oder ganz zu benehmen. Die Zügelhand ist immer die linke Hand. Bei der Ausbildung des jungen Pferdes werden die Zügel geteilt geführt. Später kann die rechte Hand zeitweilig die linke Hand unterstützen.

Als "appui" nennt man das Gefühl, welches die Wirkung der Stange in der Hand des Reiters hervorbringt, und zum anderen die durch die Hand des Reiters auf die Laden des Pferdes zuwege gebrachte Wirkung. Zu deutsch wird das nach "Anlehnung" übersetzt. Guérinière unterscheidet "zu wenig", "zu viel" und "volle" Anlehnung. Das Ziel ist die volle Anlehnung, bei der die Hand des Reiters leicht, sanft und stät sein kann und muss.

Da in der "modernen" Reitlehre die "vertrauensvolle" Anlehnung durch "Vorwärts-Abwärts" in "Dehnungshaltung" und durch die Lektion "Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen" verbessert werden soll, kann auf das "appui" von Guérinière hierbei Bezug genommen werden.

In seinem Werk fallen häufig der Begriffe, die auf die Hankenbeugung abzielen. Versammlung war ein wichtiges Ziel der Ausbildungsmethoden seiner Zeit. Noch öfter aber wird die Leichtigkeit der Vorhand erwähnt, die es dem Pferd ermöglicht, Wendungen auszuführen, ohne sich selbst zu verletzen.

Die Ausbildung eines jungen Pferdes beginnt mit Longieren um einen Pilaren, evtl. mit Nasband. Wenn das Pferd dann geritten wird, dann auf Trense mit zweihändiger Zügelführung. Der Trab ist die Gangart, um ein Pferd zu gymnastizieren. Im verkürzten Schritt werden dem Pferd neue Schulen bekannt gemacht. Galoppiert wird erstmal nicht.

Guérinière führt wieder einmal sein Vorbild De La Broue an, wenn er ein wohl abgerichtetes Pferd beschreibt. Ein solches Pferd sei biegsam und gehorsam und genau in seinen Gängen sein.

"Ein Pferd, dessen Körper nicht vollkommen frei und biegsam ist, kann dem Willen des Menschen nicht mit Leichtigkeit und Anstand gehorchen. Die Biegsamkeit bringt notwendig die Gelehrigkeit hervor, denn es kostet alsdann das Pferd kein Mühe, dasjenige zu tun, was man von ihm verlangt. Dies also sind die drei wesentlichen Eigenschaften, die das ausmachen, was man ein wohl gerittenes Pferd nennt."

Trab nach Guérinière
Welches sind nun die drei wesentlichen Eigenschaften?

Guérinière führt weiter aus, dass man die erste dieser Eigenschaften nur durch den Trab erhalten kann. Dies sei auch die einstimmige Meinung aller geschickten, alten als auch neuer Bereiter.

Gleichzeitig kritisiert er einige der neuen Bereiter, die den Trab durch einen verkürzten Schritt ersetzen wollen. Damit könne man diese erste Biegsamkeit und Freiheit einem Pferd nicht geben. Das geht nur, indem man "alle Teile seiner Maschine" in eine starke Bewegung setzt.

Durch solche Künstelei schläfert man die Natur ein, und der Gehorsam wird weichlich, matt und langsam. Diese Eigenschaften stehen dem Ausbildungsziel eines wohl abgerichteten Pferdes entgegen.

Guérinière hält den Trab als den Erhabendsten aller natürlichen Gänge des Pferdes. Der Trab macht das Pferd leicht in der Hand, ohne ihm das Maul zu verderben, und entbindet seine Glieder, ohne sie zu verderben.



Im Trab wird der Körper des Pferdes auf zwei Schenkel im Gleichgewicht gehalten, auf dem einen vorderen und dem andern hinteren. Dies verschafft den beiden anderen, welche in der Luft sind, die Leichtigkeit sich zu heben, zu erhalten, und vorwärts zu greifen.

Dies führt zum ersten Grad der Biegsamkeit in allen Teilen des Körpers.

Guérinière fasst zusammen, dass der Trab die geeignete Gangart ist, um ein Pferd gewandt und gehorsam zu machen.

Gleichzeitig warnt er davor, ein Pferd "Jahre lang" traben zu lassen. Als schlechtes Beispiel führt er Italien an, aber auch andere Länder, wo die Reiterei sonst in grossem Rufe stand. Weiterhin kritisiert er das Traben junger Pferde auf löcherigem Boden oder gepflügten Äckern.

Dies führt zur Entkräftung und Ermüdung als Ergebnis von zu gewaltsamen und zu lange anhaltender Abrichtung. Ausserdem bekommen die Pferde davon Gallen, Gurbe, Spat und andere Krankheiten der Kniekehlen.

Dies geschieht, wenn ihnen die Nerven und Sehnen durch die Unvernunft derer geschwächt werden, die einen Ruhm darin suchen, ein Pferd in kurzer Zeit zu bändigen, oder vielmehr es zu Grunde zu richten, als zu zähmen.

Im Kapitel von den fehlerhaften Gängen führt er den "halben Pass" an. Pferde mit schwachem Rücken und solche, die man auf die Schultern reitet, oder die bereits abgenutzte Schenkel haben, nehmen diesen Gang an. Lastpferde, die über Jahre mit einer Last getrabt haben, die aber die Kraft nicht haben, nehmen diesen geschwinden und übereilten Gang an, der das Ansehen von einem unterbrochenen Pass hat.

Ludwig von Hünersdorf

Anleitung zu der natürlichsten und leichtesten Art Pferde abzurichten (1805)

Ludwig von Hünersdorf beschreibt in seinem erstmals 1791 erschienenen Buch (S.32) ausführlich das natürliche (Un-)gleichgewicht des Pferdes mit der Hauptlast auf der Vorhand.

Eine der ersten Regeln der Reitkunst sei, dass das Übergewicht, welches auf der Vorhand liegt, erst zurückgebracht werden muss, ehe man etwas weiteres mit ihm unternehmen kann. Der Reiter hat deshalb seine Bemühungen immer dahin zu richten, den Kopf und den Hals des Pferdes in die Höhe und zurück zu arbeiten, bis es nach und nach die Leichtigkeit erhält, ohne die kein Pferd gewandt und sicher sein kann.

(S.47) Von dem Trab sagen die Meister der Kunst, dass er dem Pferd den ersten Gehorsam und die erste Biegsamkeit gebe.

(S.52) Der Reiter ist damit beschäftigt, sein Pferd in die Höhe zu arbeiten. Er tut dies durch einen stäten Druck mit beiden Händen. Mit Bescheidenheit treibt er das Pferd vorwärts, lässt ihm immer wieder Luft und ermuntert es wieder. Und da das Pferd sich immer wieder nach seiner natürlichen Stellung sehnen wird, so wird er es auch alle Augenblicke wieder aufrichten müssen. Wird das Pferd folgsamer, so treibt er es noch stärker an, und so geht er zum ausgedehnten Trab über. Er hat seinen äussersten Grad erreicht, wenn man fühlt, dass das Pferd bei der geringsten Bewegung sich nicht mehr darin halten kann, sondern in einen schlechten, oder den natürlichen Galopp fällt.

Louis Seeger

System der Reitkunst (1844)


Friedrich der Grosse

Nach Seeger ist der vierte Grundsatz für die Dressur, die Biegsamkeit des Pferdes in seinen Hanken zu bewirken.













Ernst Friedrich Seidler

Leitfaden zur systematischen Bearbeitung des Campagne- und Gebrauchspferdes (1843)


Ideale Aufrichtung nach Seidler

Zunächst ist interessant, dass Seidler die Schulpferde herausstellt, die überhaupt das Potenzial haben, um zum Idealbild eines mit entsprechender Aufrichtung gehenden Pferdes ausgebildet werden können. Selbst bei diesen klappt das aber nicht immer. Auch solche mit entsprechendem Exterieur und Charakter ausgestattenen Pferde werden widerspenstig, böse und erleiden Schaden an Knochen und Lunge.

Daneben aber gibt es die Pferde der Campagne-Reiterei, wozu Soldatenpferde sowie Pferde von Privatleuten zählen. Solche Pferde haben zum Teil erhebliche Gebäudemängel, und müssen auf ein für ihren Gebrauchszweck entsprechendes Niveau gebracht werden. Diese Pferde taugen in der Regel nicht für die hohe Schule.

Bei einem ideal aufgerichteten Pferd stehen die ersten sechs Halswirbel senkrecht auf den Vorderfüssen, die Nase auf Höhe des Widerrists. Bei Gebrauchs- und Soldatenpferden befindet sich die Nase auf Höhe der Hüfte.



Erstes Aufrichten nach Seidler

Der Pferdehals in Verbindung mit entsprechender Kopfstellung betrachtet Seidler als Hebel, um auf das ganze Pferd zu wirken. Dabei soll bei Aufrichtung von Kopf und Hals über den Widerrist die Vorhand entlastet und gleichzeitig die Hinterhand gesenkt werden.

Er warnt aus seiner Erfahrung heraus, dieses Aufrichten zu früh und zu schnell zu tun. Zunächst sollen die Kavallerie-Remonten und jungen Privat-Pferde zum Heranbringen des Kopfes gebracht werden, damit die in natürlicher Haltung nach unten durchhängende Halswirbelsäule einen Bogen nach oben annimmt.

Seidler nimmt als Grundlage für die beginnende reiterliche Ausbildung die "Natürliche Haltung" eines Pferdes. Aus dieser "tiefen" Halshaltung, wobei die Nase auf Höhe der Hüfte ist, sollen nun als erstes die Ganaschen des Pferdes an dessen Unterhalsmuskulatur geführt werden.

Er führt weiter aus, dass mit vermehrtem Heranführen der Ganasche an die Unterhalsmuskulatur die Aufrichtung des Halses steigt. Umso mehr und leichter, je kleiner die jeweilige Ganasche ist.

"Dieses erlangen wir, wenn wir mit der Halsstellung, in welcher der Kopf ohne Zwang, so viel wie es angeht, senkrecht hängt, anfangen, wenn uns auch die Stellung in erster Zeit niedrig erscheint."

Dabei werden stufenweise die Genickbänder gedehnt und die Ohrspeicheldrüsen in die Muskulatur eingefügt.

Durch gewaltsame Zusammenstellung führen ausgeprägte Ganaschen zur Quetschung der Luftröhre. In dem Fall soll man den Hals der Pferde eine geraume Zeit so bearbeiten, dass der Kopf etwas tief und beigezäumt kommt. Dadurch wird der Druck der Ganasche gegen den Kehlkopf gemindert.

Langer Hals nach Seidler

(S.67) Des Weiteren misst Seidler der Halsform grosse Bedeutung bei der Anwendung von Methoden zu. Er führt aus, dass grosse Schwierigkeiten ein langer, dünner Hals verursacht, welcher häufig bei Pferden englischer Herkunft anzutreffen ist.

Eine feste Grundstellung ist dabei ihm schwer abzugewinnen, da er sich bei gesteigerter Zügelannahme zum Beibringen der Nase und zur Genickbiegung, teils in der Mitte, teils am Widerrist und an der Schulter, verbiegt.

Bei einem solchen Hals sollte man mit ganz niedriger, im Anfang sogar mit herabhängender Stellung die Beinahme behutsam beginnen, und dann versuchsweise zu steigern suchen. Die Hände müssen dabei ganz nahe aneinander geführt werden, damit beide Zügel am Hals anliegen, um ein Ausbiegen vorzubeugen.

Im Verlauf der Ausbildung muss mit angemessener Schenkeleinwirkung ein gutes Nachtreten der Hinterfüsse erlangt werden, und die Hinterhand mehr durch Einwirkung des Gesässes, als durch schärfer rückwirkende Zügel bearbeiten.

"Bei dem langen Halse lassen wir den Kopf zuerst herab, nehmen tief gestellt die Nase bei, richten dann mit gebogenem Genick den Hals auf, und schieben ihn aus der niedrigen Stellung nur soviel herauf und zusammen, dass keine Verbindung seitwärts erfolgt."

Gustav Steinbrecht

Das Gymnasium des Pferdes (1885)

Eduard Gustav Steinbrecht (*1808, Ampfurth, +08.02.1885, Berlin)
Lehrer: Louis Seeger
Schüler: Paul Plinzner

Ist die Seitenbiegung der Wirbelreihe genügend ausgebildet, ist durch Reiten von gebogenen Linien das Hinterbein einzeln an stärkere Belastung gewöhnt, sind die Streckmuskeln des Halses nachgiebig gemacht, und der Widerstand des Genicks beseitigt, so gehe man zur Belastung beider Hinterbeine über.

Hierbei (bei der Versammlung) wirkt der Hals gleichsam als Hebel bei Übertragung der Last auf die Hinterhand; je mehr er sich aufrichtet, desto mehr wirkt er niederdrückend und belastend auf diese. Bei dieser Arbeit diene aber als Grundsatz, dass die stärkere Last den Hinterbeinen niemals aufgezwungen werden darf, sondern dass das Pferd sich diese gewissermaßen selbst holen muss. Der Reiter soll nämlich nicht in erster Linie mit seinen Händen die Hinterbeine belasten suchen, sondern durch seine vortreibenden Hilfen die Hinterbeine veranlassen, mehr unter die Gewichtsmasse zu treten und sich selbst dadurch zu belasten, wobei die Hände entweder passiv auszuhalten und das Pferd am Vorwärtsdrang hindern, oder durch aktives Eingreifen, die sogenannten durchgehenden Arrêts, die Gewichte zur Biegung der vortretenden Hinterschenkel noch zurückzuverlegen haben. Die Ausrichtung der Vorhand bildete sich dann von selbst, je mehr die Hinterhand gesenkt und gebogen ist.

Es ist daher ein ganz nutzloses und widernatürliches Bemühen, wenn viele Reiter Hals und Kopf ihrer Pferde gewaltsam in die Höhe richten, bevor sie imstande sind, die Hinterbeine mit ihren Schenkeln entsprechend heranzuhalten. Sie werden das gehobene Gewicht selbst tragen, also ununterbrochen mit der Hand stützen müssen und nicht die Hinterhand belasten, sondern nur den Rücken ihrer Pferde unnatürlich durchbiegen.

Reitvorschrift von 1882

Die Lehren von Gustav Steinbrecht fliessen in die Reitvorschrift ein

(S.17) Die Hauptgrundsätze, worauf das ganze System der Reitkunst gründen sind Gleichgewicht und Biegsamkeit. Aus dem Gleichgewicht folgt Beweglichkeit und Leichtigkeit und aus der Biegsamkeit entsteht Geschicklichkeit, Aufmerksamkeit auf die Hilfen und damit der Gehorsam.

Natürliche Bewegung mit tiefer Nase

Das rohe Pferd befindet sich im Stand und im Gang im (natürlichen) Gleichgewicht. Die natürliche Haltung und das natürliche Gleichgewicht des rohen Pferdes dienen als Grundlage für die Bearbeitung desselben.

Durch die Belastung mit dem Reiter geht das (natürliche) Gleichgewicht mehr oder weniger verloren. Sitzt der Reiter still und tut weiter nichts, als dass er in die Bewegung des Pferdes eingeht, wird das Pferd in sein (natürliches) Gleichgewicht zurück kommen.

Erst wenn das Pferd unter dem Reiter seine natürliche Haltung annimmt, das heisst mit langgestrecktem Halse, hängender Nase die Zügel in der Tiefe aufsucht, beginnt die eigentliche Bearbeitung des Pferdes und damit auch die Einwirkung des Reiters.











Reitvorschrift von 1912

Im Kapitel "Entwicklung des Ganges und Befestigung der Anlehnung in der Tiefe" ist zu lesen, dass bei richtiger Einwirkung die mehr nachschleppenden Hinterfüsse anfangen sich zu kräftigen und vermehrt zu schieben. Aus der Wechselwirkung von Schenkel und Zügel wird sich allmählich ein gleichmässigeres und bestimmtes, dabei ruhiges Tempo, der Arbeitstrab entwickeln.

(S.201) Die Remonten werden bald in natürlichem Gange mit langem Halse und tiefer Nase ruhig vorwärts gehen. Nur in dieser natürlichen Haltung wird der Rücken tragfähig gemacht.

Pferde, die mit hohem Halse und hoher Nase gehen, werden im Rücken tiefer und selbst bei mässiger Arbeit magerer.

Findet eine Remonte nicht bald den Weg in diese natürliche Haltung, so muss sie einen Reiter erhalten, der es versteht, ihr gewissermassen den Weg in die Tiefe zu zeigen.

Bleibt auch diese Massnahme ohne Erfolg, so muss versucht werden, die Remonte wieder ohne Reiter mit Ausbindezügeln oder durch Longieren in der natürlichen Haltung mehr zu festigen.

Seite 209: Sobald die Pferde die Anlehnung in der Tiefe bei leichtem Verhalten mit den Zügeln nicht verlieren und den vortreibenden Schenkel genügend kennen, ...

Mit dem Reiten auf dem Zirkel kann mit Nutzen begonnen werden, sobald die Pferde auf gerader Linie die Anlehung in der Tiefe gewonnen haben.

Reitvorschrift vom 18.08.1937 (HDV.12)

Ein guter Prüfstein für die richtige Arbeit sind nachgebende Zügelhilfen, wobei der Reiter sich die Zügel aus der Hand kauen lässt, ohne die treibenden Hilfen aufzugeben. Das Pferd muss dabei mit nach vorn gedehntem Halse, die Kammlinie leicht nach oben gewölbt und vorwärts-abwärts gerichteter Nase völlig entspannt dahingehen und darf nicht eiliger treten.

Felix Bürkner kommentierte diese neue Reitvorschrift. Er führt aus, dass die neue Reitvorschrift nicht mehr für die Kavallerie geschrieben wurde, sondern für die Infanterie und Artillerie. Der Stoffumfang wurde gegenüber den Vorläufern stark reduziert. Als (roter) Leitfaden zieht sich das Streben nach Losgelassenheit durch die Vorschrift. Dagegen wurden eine Reihe von früheren, höherer Versammlung dienender Übungen gestrichen. Man möchte damit Gefahren, welche falsche Versammlung mit sich bringt, vermeiden.

Als Ergebnis der Losgelassenheit werden zufriedene Pferde in Gebrauchshaltung angestrebt. Beim Reiten in allen Gangarten geschmeideiger Sitz, beim Pferde lange Hälse, keine starren geknebelten Formen, zufriedener Gesichtsausdruck, entspannte Bewegungen.

Erbfehler deutscher Reiterei

Auch Neuerungen wurden in die neue Reitvorschrift aufgenommen. Als Hauptpunkt führt Bürkner die "alten irreführenden Ausdrücke" "Anlehnung in der Tiefe" an, welche durch die Weisung, die Anlehnung durch das Herausstrecken des Pferdehalses nach "vorwärts-abwärts" zu erielen und damit den "Erbfehler deutscher Reiterei" zu bekämpfen.

Eine weitere Neuerung war die Bestimmung über die Höhe der Handhaltung. Die vorher starr vorgegebene Höhe von zwei Handbreiten über dem Widerrist wurde abgelöst durch die Fassung, dass die eine ungebrochene Linie Ellenbogen-Faust-Pferdemaul anzustreben sei.

Ebenso wurden Seitengänge aus der Reitvorschrift gestrichen. Die Gefahr, dass die Pferde durch starke Längsbiegung "verbogen" werden konnten, war zu gross.



Waldemar Seunig

Von der Koppel zur Kapriole (1941)
Otto Lörke

(S.156, Kap. IV) Es gibt Pferde, die mit ihren sich steifenden Hinterbeinen nicht ehrlich vor- und untertreten wollen. Täten sie das, so müssten sie ihren gespannten, festgehaltenden Rücken und damit ihr ganzes Muskelsystem der Einwirkung des Reiters preisgeben und über zwangloses An- und Abspannen zur Losgelassenheit, das heisst zum widerstandslosen Herangehen an die Hilfen, gelangen.

Durch Sporeneinwirkung verspannen sich die Muskeln noch mehr, was die Situation noch verschlimmert. Seunig empfiehlt in diesem Fall den Einsatz der Gerte und frisches Vornewegreiten ohne den fünften Fuss des Zügels, was das Pferd zwingt, sich auf seinen vier Beinen auszubalancieren und es zu veranlassen, mit ihnen ehrlich unterzutreten, weil es sonst sein natürliches Gleichgewicht verlieren würde.

(S.157, Kap. IV) Seunig führt aus, dass die Bauchmuskeln als Vorschwinger der Hinterhand ihren Stütz- und Anheftungspunkt vorn auf dem Brustbein und den ersten Rippen haben. Je mehr diese nach vorn festgestellt sind, desto ungestörter können die Bauchmuskeln ihre Aufgabe erfüllen, die Unterlinie zu beugen und somit die Hinterbeine untertreten zu lassen. Das Feststellen fällt teilweise dem Rippenhalter zu, einer Muskelgruppe, die an den unteren Halsmuskeln ansetzt und diese mit dem vorderen Teil des Brustbeins und den ersten Rippen verbindet. Beim gut gerittenen Pferd füllen sie teilweise die Eintiefung zwischen Schulter und Hals aus und bilden gut sichtbar die breite Halsbasis.

Die unruhige oder gar riegelnde Hand, die den Hals in seiner Basis, wo er am stetesten sein soll, nach rechts und links zieht, schwächt damit auch die Rippenhalter, so dass sie erschlaffen und eine ihrer Aufgaben, Rippen und Brustbein nach vorne festzustellen, nicht erfüllen können.

Somit ist ein volles Vorschwingen der Hinterbeine durch die Bauchmuskeln nicht möglich, und damit wiederum kein eregisches, trittsichers und raumgreifendes Untertreten, ohne dies keinen Gang.

Rippenhalter

Die Rippenhalter bestehen aus 2 Muskelsträngen der Scalenusgruppe: Der M. scalenus ventralis sowie der M. scalenus medius. Beide haben ihren Ursprung am Corpus der ersten Rippe, der ventrale Muskel zieht zu den Querfortsätzen der Halswirbel 4-6, der mediale zum Querfortsatz des 7. Halswirbels. Beide Muskeln sind an der Beugung und Seitwärtsbiegung Halswirbelsäule beteiligt. Sie dienen vorrangig als Hilfsinspirator, indem sie bei Einatmung die erste Rippe anheben. Bei Pferden, die mit weggedrücktem Unterhals gehen, sind die Scalenus-Muskeln verspannt. Das kann in Folge zu Taktstörungen führen und die Atmung behindern.

Der Brustbein-Unterkiefer-Muskel setzt am Brustbein an und verläuft zum Unterkiefer. Die Funktion des Muskels liegt vor allem im Öffnen der Mausspalte. Bei Abwehrreaktionen gegen die Reiterhand wie Wegdrücken oder auf die Hand legen beisst das Pferd die Kiefer zusammen oder sperrt das Maul auf. Durch beide Reaktionen kommt es zur Hypertrophie (Wachstum) des Brustbein-Unterkiefer-Muskel.



(S.123, Kap.B) Gang ist die natürliche Veranlagung des Pferdes, sich in den verschiedenen Gangarten in der Freiheit und unbelastet fortbewegen zu können.

Schub ist das weite Vortreten der Hinterbeine in Richtung des Fusspunktes der gemeinsamen Schwerlinie Reiter-Pferd mit kräftigen Abschub vom Boden, um sich am Vorwärtsbewegen und Tragen der gemeinsamen Last von Pferd Reiter vermehrt zu beteiligen.

Der Schub ist kein natürliches Merkmal des Ganges, sondern er entwickelt sich durch reiterliche Einwirkung zu einer sicht- und fühlbaren den Gang verbessernden Begleiterscheinung. Aus dem Schub entwickelt sich im weiteren Ausbildungsverlauf der Schwung.

Schwung entsteht aus dem kraftvollen Schub und der damit einhergehenden Biegsamkeit der Gelenke der Hinterhand. Zur Erreichung der Biegsamkeit empfiehlt Seunig diverse Schulen, darunter auch die Seitengänge, die das anfangs breitspurig gehende Pferd dazu bringen mit den Hinterbeinen näher nebeneinander zu treten. Dadurch wird einerseits der Schwung verbessert und die Tragkraft gesteigert.

An dieser Stelle betont Seunig ausdrücklich, dass zur vollen Entfaltung des Schwunges auch das elastische Mitschwingen des Rückens gehört.

Natürlicher Trab

(S.130) Seunig führt aus, dass das Gleichgewicht in der Bewegung nicht nur von den jeweils stützenden Gliedmassen bestimmt oder erreicht wird, sondern auch die vorschwingenden Gliedmassen zu dessen Erhaltung beitragen.

Je mehr sich die Hinterbeine zwecks schwungvollen Abfederns vorher aufnehmend gebeugt haben, desto mehr senkt sich die Hinterhand, desto mehr wird die Rückenlinie, die von Natur aus etwas von hinten nach vorwärts-abwärts gerichtet ist, einer waagrechten Richtung genähert und die Vorhand entlastet. Dies führt zu einem Maximum an Wendsamkeit, die ein Pferd erreichen kann.

Zur Erhaltung des Gleichgewichts ist im Trab und Galopp das Hinzutreten des Schwunges erforderlich. Beim rohen Pferd reicht der natürliche Schwung aus. Im weiteren Verlauf der Ausbildung wird der Schwung durch reiterliche Einwirkung hervorgerufen bzw. verstärkt.

Je mehr sich dadurch dabei die Hinterhand am Tragen beteiligt, desto mehr wird das anfänglich natürliche Gleichgewicht in ein reiterliches (erworbenes) Gleichgewicht umgeformt.

(S.191) Seunig empfiehlt dem jungen Pferd nach dem Anhalten ein sofortiges Vorgehen der Hand, wobei die Anlehnung nicht gleich aufgegeben werden soll. Schliesslich wird der Zügel aus der Hand gegeben und auf den Hals gelegt. Mit dieser Methode wird das Pferd zum Stillstehen erzogen.

Neben dem Anhalten kann die beschriebenen Methode auch zum Durchparieren aus dem Trab zum Schritt angewendet werden. Dies sei eine gute Gelegenheit, das Pferd von selbst darauf zu bringen, dass es die nachgebenden Zügel dem Reiter aus der Hand kaut, ohne die Fühlung mit der Hand zu verlieren.

Dieses Längermachen des Halses bis zu seiner äussersten Streckmöglichkeit in der Anlehnung entsteht dadurch, dass der Reiter das natürliche Bestreben des Pferdes, die ermüdeten Halsmuskeln zu dehnen, ausnützt. Dabei wird direkt im Anschluss an das Vermindern der Gangart die Hände erst vorgehen, dann die Zügel aus den Fingern gleiten lassen.

Die vom Lösen und Dehnen der Hals- und Rückenmuskulatur veranlassten Kaubewegungen begleiten das vorwärts-abwärts gerichtete Dehnen der Nase.

FN-Richtlinien

Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen

In den FN-Richtlinien wird die Übung "Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen" zur Überprüfung und Verbesserung der Dehnungsbereitschaft genannt. Sie ist als Grundübung zum dressurmässigen Reiten definiert.

Der Reiter bietet seinem Pferd bei vermehrtem Treiben durch Öffnen der Zügelfäuste den Zügel an und lässt es mit dem Hals vermehrt nach vorwärts-abwärts in die Dehnungshaltung.

Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen

Damit werden Taktsicherheit, Losgelassenheit und Vertrauen des Pferdes zur Hand des Reiters überprüft und verbessert. Ausserdem ist es eine Gleichgewichtsschulung, insbesondere für das junge Pferd.

Der Reiter bereitet die Lektion zunächst durch halbe Paraden vor. Er treibt an die aushaltende Hand heran und erzeugt damit mehr Dehnungsbereitschaft des Pferdes. Das Pferd soll dabei die Anlehnung nach vorwärts-abwärts an das Gebiss suchen.

Der Reiter lässt die Verlängerung in dem Mass zu, in dem das Pferd bereit ist sich zu dehnen - maximal jedoch bis zum "langen Zügel". Die stete Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul bleibt dabei ständig erhalten. (Anm.: stet und ständig sind Synonyme) Das Pferd soll sich an die Reiterhand heran dehnen.

Die Dehnung sollte mindestens so weit erfolgen, dass sich das Pferdemaul etwa auf Höhe des Buggelenks befindet. Der Hals darf sich jedoch höchstens so weit dehnen, wie es die Erhaltung des Gleichgewichts des Pferdes zulässt.

Takt und Tempo sollen dabei unverändert bleiben. Die Stirn-Nasenlinie eher vor der Senkrechten.

In der Dehnungshaltung soll sich die gesamte obere Muskulatur vermehrt dehnen. Der Reiter muss beim Verlängern der Zügel weiterhin treiben, damit die Hinterbeine energisch vorfussen und das Pferd nicht sein Gleichgewicht verliert.

Das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen über kürzere Strecken und Zeiträume ist für das Lösen und die Kräftigung der Muskulatur wertvoller als ein zu lang andauerndes Reiten in unveränderter Dehnungshaltung. Hierbei kann das Pferd auf die Vorhand kommen.

Christoph Ackermann

Mit dem Pferd entlang der Ausbildungsskala (2017)

Christoph Ackermann (*)
Lehrer: Egon von Neindorff
Schüler:

Christoph Ackermann beschreibt drei Phasen der Anlehnung, die aufeinanderfolgend dem jeweils gerade gültigen Ausbildungsstand des Pferdes entsprechen:

  • den Zügel suchen lassen
  • den Zügel finden lassen
  • kurzer Zügel

In der ersten Phase soll das Pferd vertrauensvoll den Zügel suchen. Dies gelingt am besten im schwungvollen Trab. Ein leicht nach vorn geneigter Oberkörper, eine ruhige passive Hand und einen ansonsten geschlossenen, feinen, unabhänggen Sitz unterstützt dabei das Pferd. Die treibenden Hilfen werden nur sehr behutsam eingesetzt.

Christop Ackermann

Das Pferd folgt der nachgebenden Hand, so dass der Zügel nicht durchhängt, und sucht den feinen, steten Kontakt. Die Reiterhand wiederum nimmt diese Suche ruhig, geschmeidig und behutsam an.

Durch Üben des "Vorwärts-Abwärts" wird die ruhige, gefestigte Position des Halses an Schulter und Widerrist und das Tragen des Kopf- und Halsgewichts über den Oberhals gefördert.

In der zweiten Phase der Anlehnung ist das Pferd bereits in der Lage, den Zügel anzunehmen. Weiterhin unterstützt der Reiter durch nach vorn geneigtem Oberkörper und ruhige, passive Hand die Bewegung des Pferdes. Allmählich kommen nun vermehrt treibende Hilfen hinzu. Wenn das Pferd den Zügel annimmt, wird es in den Rippenbögen breiter und lässt den Reiter dadurch besser sitzen. Der Reitersitz wird von hinten her mehr aufgefüllt.

Die dabei einsetzenden Treiben Hilfen werden nicht durch den Schenkel ausgelöst, sondern von selbst heraus aus dem von der Hand unabhängigen Balance-Sitz.

Sind die beiden ersten Phasen sorgsam durchlaufen worden, dann kann die dritte Phase der Ausbildung, der "kurze Zügel" entwickelt werden. Er äussert sich duch eine entsprechende Genick-Biegung vor dem Hinterhauptbein, welche das Pferd von sich aus anbietet und damit die Bewegung durch den ganzen Pferdekörper zulassen kann.

Christoph Ackermann kritisiert die im deutschen Reitsystem beschriebene Dehnungshaltung, weil sie auf einer falschen Vorstellung vom Vorwärts-Abwärts beruhe. Das Fallenlassen des Pferdehalses und -kopfes ist demnach nur noch so weit zulässig, als dass die Nüstern nicht tiefer als auf Höhe des Buggelenks kommen.

Die irrige Idee dahinter ist, dem allgemeinen Vorurteil entgegenzutreten, beim "Vorwärts-Abwärts" gerate das Pferd auf die Vorhand.

Ackermann ist der Meinung, dass das von der FN geforderte "runde" Erscheinungsbild, bei dem dem Pferd nicht erlaubt wird seinen Hals ganz auszustrecken, nicht dazu führt, dass das Pferd die Reiterhand sucht. Vielmehr wird die Balance-Fähigkeit durch die Hand aktiv eingeschränkt und somit eine Losgelassenheit verhindert.

Ackermann kritisiert, dass der FN-Reitmodus von seiner gesamten Anlage her bereits zu stark auf die Reiterhand ausgelegt und nach rückwärts gerichtet ist, so dass die Geisteshaltung auf Festhalten und nicht auf Losgelassenheit ausgerichtet ist und der wünschenswerte Impuls der Bewegung durch das Pferd nicht länger frei nach vorn erfolgen kann.

Kontext praktisches Reiten

Im Folgenden werden die Auswirkungen beim Reiten in Dehnungshaltung für die Praxis erörtert. Neben den diversen historischen und modernen Lehren, sowie den physiologischen Aspekten, gehen meine praktischen Erfahrungen in die Bewertung mit ein.

Welches sind die wesentlichen Aspekte, welche Eckpfeiler können im Zusammenhang mit "Vorwärts-Abwärts" in "Dehnungshaltung" ausgemacht werden?

In allen beleuchteten Schriften, angefangen bei der "Deutschen Reitlehre" bis zur "Französischen Barockreiterei" von Guérinière, ist der Trab die Gangart der Wahl bei der Ausbildung von jungen Pferden.

Ausgehend von den Definitionen Seidlers, welche lange Zeit Gültigkeit hatten, soll das Pferd unter dem Reiter in seine natürliche Form, in sein natürliches Gleichgewicht "zurück" gebracht werden.

Ein wesentliches Ziel bei der Pferdeausbildung ist die Erreichung der Losgelassenheit. Ab Mitte des 20. Jahrhundert ist es gar das Hauptziel. Auch pferde-phyiologisch betrachtet ist das Erreichen einer lockeren, dehnbaren Muskulatur ein wichtiger Faktor, um die Gesundheit des Pferdes zu erhalten und zu fördern.

Mindestens seit Seunig wird das Leichttraben als unverzichtbares Hilfsmittel bei der Ausbildung eines jungen Pferdes oder zur Korrektur von Pferden angesehen. Die Lektion "Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen" wird in Dressurprüfungen im Leichttraben gefordert.

"Vertrauensvoll" ist das Attribut, wenn es um Anlehnung geht. Vertrauen kann man nicht einfordern, sondern muss verdient werden. Deshalb ist die Erreichung der Anlehnung wohl das schwierigste Ziel bei der Ausbildung des jungen Pferdes.

Physiologisch betrachtet ist eine rhytmische Bewegungsfolge förderlich für die Gesundheit und steigert die Kondition. Betroffen dabei sind unter anderem Atmung, Durchblutung und Muskelaufbau.

Die Dehnungshaltung soll dazu beitragen, dass das Pferd seine Hanken beugen lernt und dabei weiter nach vorne unter den Schwerpunkt tritt. Das Ziel dabei ist die Entwicklung der Versammlungsfähigkeit.

Somit können folgende Stichpunkte im Zusammenhang mit "Vorwärts-Abwärts" in "Dehnungshaltung" und der Lektion "Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen" festgelegt werden:

  • Ausbildungsstand Remonte
  • Gleichgewicht, Balance
  • Gangart (Arbeits-)Trab
  • Gang
  • Schwung
  • Versammlung
  • Leichttraben
  • Anlehnung
  • Losgelassenheit
  • Rhytmus

Ausbildungsstand Remonte

Alle untersuchten Schriften befassen sich mit dem Beginn der Ausbildung einer Remonte, wenn es um das Thema "Vorwärts-Abwärts" und "Dehnungshaltung" geht. Egal, wie die Begriffe jeweils definiert sind, wird das Stadium der Ausbildung vom ersten Anreiten an untersucht.

Im Schema der FN liegt das in der ersten, der Gewöhnungsphase deren Ausbildungsskala. Die schematische Darstellung der "Dehnungshaltung" und der "Remontehaltung" in den "Richtlinien" sind praktisch identisch.

Remonte-Haltung

Die "FN-Reiterei" ist traditionell auf den Sport ausgerichtet. Die deutschen Pferdezuchten sind ebenfalls auf die Produktion von Reitpferden und -ponies ausgelegt, die für den sportlichen Einsatz geeignet sind.

Das ganze Ausbildungssystem, inklusive der Berufsausbildung hat immer den sportlichen Aspekt im Vordergrund. Diese Sachverhalte dürfen bei der Analyse nicht ausser acht gelassen werden.

Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass die Kunstreiterei im Barock ein gänzlich anderes Pferdeideal anstrebte. Diejenigen unter uns, die barocke Pferdetypen reiten, haben gänzlich andere Voraussetzungen bei der Pferdeausbildung zu berücksichtigen.

Das trifft auch auf alle Reiter zu, deren Pferde schon damals abwertend als Gebrauchs- oder Kampagne-Pferde bezeichnet wurden. Die aufgrund ihres Exterieurs einfach nicht das Zeug für Versammlung oder gar Hohe Schule hatten. Früher wie heute ist das der "Ausschuss" der jeweiligen Pferdezucht, sowie Pferde aller möglichen Spezialrassen.



Des Weiteren wird in allen Schriften selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Ausbildung von erfahrenen Bereitern durchgeführt wird. Solche erfahrene Bereiter haben beretis 100(te) Pferde geritten und angeritten. Sie haben selbst eine langjährige Ausbildung auf Schul-(Lehr-)Pferden absolviert. Wenn sie entsprechend körperlich und mental geeignet waren, durften sie beim Anreiten unterstützen, und dann irgendwann selbst auf den Rücken eines jungen Pferdes steigen.

Unabhängig davon wie man die Sinnhaftigkeit und Ausführung der "Dehnungshaltung" im "Vorwärts-Abwärts", sowie "Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen" bewertet und interpretiert, muss von Beginn an eine geeignete Basis für die Pferdeausbildung geschaffen werden.

"Eine Basis ist eine Basis, wenn sie für etwas eine Basis ist."

Bent Branderup

Hauptziel einer jeden Pferdeausbildung, insbesondere bei jungen Pferden, sollte die Steigerung des Selbstbewusstseins des Pferdes sein. Das Vertrauen des Pferdes in sich selbst muss gestärkt und gefestigt werden. Wenn das gelingt, wird auch das Vertrauen zum Ausbilder steigen. Diese Art der Ausbildung beginnt wesentlich früher, und sollte schon weit fortgeschritten sein, bevor das vorliegende Thema relevant wird. Idealerweise bereits im Fohlenalter, wenn das Fohlen kurz nach der Geburt durch Abreiben mit Tüchern an den Menschen geprägt wird. Bis zur "Dehnungshaltung" vergehen dann noch drei bis vier Jahre, in denen der Ausbilder eine entsprechende Basis aus Vertrauen, Selbst-Vertrauen und -Bewusstsein entwickeln kann.

Wenn irgendwas schief geht, die Ausbildung stockt, Traumata auftreten oder ähnliches, dann geht man auf die letzte Basis-Stufe zurück, oder auf die vorletzte, oder gar ganz auf den Anfang, um die Basis wieder aufzubauen.

Auch wenn alles glatt geht, wenn das Pferd Geschenke macht, wenn man das Gefühl hat, sprunghafte Erfolge zu erzielen, sollte man immer wieder Phasen einbauen, in welchen die Basis-Arbeit überprüft und verbessert werden kann.

Es geht nicht darum eine wie auch immer geartete "Dehnungshaltung" im "Vorwärts-Abwärts" zu erreichen, sondern die Eigenschaften zu festigen, die als Berechtigung für dessen Anwendung heran gezogen werden. Als Allererstes sind dies Gleichgewicht und Balance in der Bewegung.

Gleichgewicht, Balance

Nicht nur Pferde werden unsicher, wenn sie sich (und ihre Last) nicht mehr ausbalancieren können. Bei Pferden kann sich die Unsicherheit bis in Panik hinein steigern, den Fluchtinstinkt auslösen und zu schweren Unfällen führen.

Somit ist das oberste Ziel bei Pferdeausbildung die Schulung der horizontalen (seitlichen) und vertikalen Biegsamkeit (Ober-,Unterlinie).

Wenn das Pferd in diesen Biegungen ausbalanciert gehen kann, dann hat es bereits sein Selbstvertrauen gesteigert, eine Basis ist erarbeitet und gefestigt.

Eine gefestigte vertikale Biegung, von Guérinière Biegung ersten Grades genannt, entspricht äusserlich der "Dehnungshaltung" und "Beugegang".

Diese Biegefähigkeit kann und sollte bereits ohne Reitergewicht erarbeitet und mindestens im Schritt und Trab, idealerweise auch im Galopp gefestigt sein. Dazu eignen sich akademische Bodenarbeit, akademisches Longieren, Arbeit am kurzen und langen Zügel, Longieren und Longieren mit Doppellonge.

Somit steht eine Fülle an Möglichkeiten und Methoden bereit, um ein Pferd gleichmässig zu biegen und damit geradezurichten, ohne dass es mit zusätzlichem Gewicht belastet werden muss. Das Gewicht kommt nach und nach hinzu. Durch Auflegen von Gurt und später Sattel wird das Pferd nach und nach an Gewicht gewöhnt und so behutsam auf das Reiten vorbereitet.

Erst wenn es sich ohne Reiter ausbalancieren kann, sitzt ein erfahrener Reiter auf, der in der Lage ist, den Bewegungen des Pferdes zu folgen, aber keinesfalls zu stören. Er muss selbst seinen Sitz durch Balance ausgleichen und hand-unabhängig agieren können.

In diesem Stadium kennt das Pferd bereits Handeinwirkung auf Nase und Maul sowie Einwirkung durch den (simulierten) Schenkel.

Der (Arbeits-)Trab

Das Pferd soll geschult werden, sein natürliches Gleichgewicht, bei dem mehr Gewicht auf der Vorhand liegt, nach hinten zu verlagern, damit zunächst eine ausgeglichene Belastung von Vor- und Hinterhand entsteht. Dieses Ziel ist deshalb so wichtig, da Wendungen mit der Vorhand eingeleitet werden, und je leichter sie ist, desto einfacher lässt sich ein Pferd wenden. Ausserdem wirkt sich eine dauerhafte (Mehr-)Belastung der Vorhand gesundheitsschädlich auf das Pferd aus.

Der Arbeitstrab

In der weiteren Ausbildung soll das bis dahin erreichte gleichmässig aufgeteilte Gewicht noch weiter nach hinten verschoben werden und in der Versammlung das Maximum erreichen.

Die angestrebte Gewichtsverlagerung wird, ausgehend vom natürlichen Gang, dadurch erreicht, dass das Pferd mit seinen Hinterbeinen weiter nach vorne - unter den Schwerpunkt - tritt. Dadurch muss es beim Abfussen zwangsläufig eine grössere Last mit dem entsprechende Hinterbeinen stemmen.

Damit das Pferd mit den Hinterbeinen weiter nach vorne greifen kann, muss salopp gesagt, die Geschwindigkeit erhöht werden. Ausgehend von seinem natürlichen Gang wird durch treibende Hilfen der Schub aus der Hinterhand vergrössert. Mehr Schub bedeutet mehr Raumgriff. Durch die dabei automatisch einsetzende Funktion der vermehrten Federung durch die Spannsägenkonstruktion der Hinterbeine wird aus dem vermehrten Schub vermehrter Schwung.

Durch den vermehrten Schwung wird der Pferde- und mit diesem der Reiterkörper nach vorne katapultiert. Das führt zu einem erhöhten Tempo im Gang. Solange in diesem erhöhten Tempo die Balance weiterhin und dauerhaft aufrechterhalten werden kann, ist dieses Tempo eines in dem gearbeitet werden kann, nämlich das Arbeitstempo, zum Beispiel Arbeitstrab. Nach Definition des Arbeitstrabes füssen die Hinterhufe in die Spur der Vorderhufe.

Wenn die Balance verloren geht, das heisst aufgrund des erhöhten Tempos nach vorne ausgeglichen werden muss, dann hat das zur Folge, dass das Tempo noch höher wird, und wieder ein Ausgleich nach vorne stattfinden muss, u.s.w. Tritt diese Situation auf, dann muss durch Handeinwirkung das Tempo wieder zurückgeführt werden, bis das Pferd sich und den Reiter wieder ausbalancieren kann.

In der Balance ist eine Einwirkung mit der Hand unbedingt zu unterlassen. Die Reiterhand hält lediglich die Verbindung zum Pferdemaul aufrecht, ohne auch nur den geringsten Druck auszuüben.

Der Arbeitstrab

Das erhöhte Tempo im Arbeitstempo wird nicht dadurch erreicht, dass das Pferd mehr Tritte oder Sprünge macht, um die selbe Distanz zurück zu legen, sondern indem der Raumgriff, also die Distanz pro Tritt oder Sprung inklusive der Schwebephase grösser wird. Um den notwendigen Schwung dafür aufzubringen, müssen die Hinterbeine nicht nur weiter nach vorne schwingen, sondern beim Vorschwingen angehoben werden. Gleichzeitig soll sich die Hüfte des Pferdes etwas senken. Diese Bewegung führt zu einer entsprechenden Beugung der Hanken, was gleichzeitig die unteren Gelenke Knie und Sprunggelenk in Spannung bringt.

Um dieses Vorschwingen des Hinterbeins in der beschriebenen Weise ausführen zu können, was auch Beugegang genannt wird, müssen die Bauchmuskeln auf der entsprechenden Seite stark kontrahiert werden, da sie einen wesentlichen Anteil am Vortritt haben.

Die im Sinne der Schwungentfaltung so geschulten Hinterbeine werden in der weiteren Ausbildung des Pferdes zur Entwicklung der Tragkraft eingesetzt.

Das ist das eigentliche Ziel beim Reiten im Arbeitstempo Trab und gilt auch für den Galopp. Das Reiten im Arbeitstempo ist (meiner Ansicht nach) die bedeutendste Komponente im Zusammenhang mit dem untersuchten Thema. Nicht auch zuletzt deshalb, weil sie mit den Lehren der "wirklich alten Meister" in Einklang steht.

Das Leichttraben

Für die akademisch-barocken Reitweise, in der Reitkunst seiner Zeit, ist der Stellenwert für das Leichttraben gleich Null. Weder der Körperbau der Pferde, noch deren Mentalität und schon gar nicht das angestrebte Ausbildungsziel könnten dem Leichttraben eine Berechtigung geben.

Neben den verwerflichen, aber durchaus nachvollziehbaren Gründen, aus denen Reitanfänger heutzutage das Leichttraben erlernen sollen, bieten sowohl die gesundheitlichen Risiken für das Pferd, als auch die mangelnden Weiterbildungs-Chancen für den Reiter selbst, genug Anlass, auf das Leichttraben zu verzichten.

Die Bezeichnung "Leichttraben" kam erst später. Zunächst wurde die Art der Fortbewegung im Trab "Englisch-Traben" genannt. Mit Aufkommen der Anglomanie im 19. Jahrhundert konnte man die hoch im Blut stehenden Modepferde, einigermassen bequem in schneller Gangart reiten.

Leopold von Edelsheim-Gyulai

Etwa zu selben Zeit wandelte sich die Militär-Reiterei. Der Angriff wurde in Formation geführt. Ein Kampf Mann gegen Mann gab es allenfalls im anschliessendem Getümmel. Noch später waren Pferde Truppentransporter für die Infanterie. Die wenig ausgebildeten Rekruten konnten im Leichttraben ohne grosse Schäden und Ermüdung an die Kampflinie gebracht werden, wo sie dann vom Pferd abstiegen und zu Fuss kämpften. Der österreichische General Leopold von Edelsheim-Gyulai führte das Leichttraben ca. 1860 in seiner Versuchsbrigade in Enns ein.

Der Sport hat das Leichttraben schliesslich übernommen. Dessen Vertreter haben es geschafft, das Leichttraben als vorteilhafte Methode in der Pferdeausbildung zu etablieren.

Einer von ihnen ist Oberst Waldemar Seunig, der sich sehr für den Sport eingesetzt hat, und hoch erfreut war, als das Leichtraben in Dressuraufgaben Eingang gefunden hat.

Er ist sicherlich ein Experte, auch wenn es um das Thema Leichttraben geht. Das, was er in seinem Buch beschreibt, geht um ein vielfaches darüber hinaus, was heute gemeinhin gelehrt wird. Das Fazit soll gleich vorweg genommen werden: Leichttraben ist mindestens so schwer wie Aussitzen und somit von einem Reitanfänger nicht zu bewältigen. Ergebnisse sind kranke Pferde und Reiter, die in ihrer Ausbildung nicht weiter kommen.

Seunig unterscheidet das Leichttraben bei jungen Pferden, sowie bei weit ausgebildeten Pferden. Ausserdem spielt die angestrebte Lektion eine Rolle. Es kommt auch darauf an, ob in der Halle, im Freien oder im Gelände geritten wird. Je nachdem wird auf dem inneren oder äusseren Hinterbein leichtgetrabt.

(S.216) Im Rahmen der Ausbildung des Starken Trabes erwähnt Seunig das Leichttraben als Hilfsmittel. Ausserdem bei sich spannenden Pferden beim ersten Anreiten, oder bei triebigen oder im Rücken und Hinterhand empfindlichen oder endlich bei aus irgendeinem Grunde sauer gewordenen Pferden lässt sich das Leichttraben anwenden, um ein herzhaftes Vorschwingen ihrer Hinterbeine mit mehr Neigung in den Gang zu erzielen und ihnen überhaupt das Vorwärtsgehen schmackhafter zu machen.

Möchte man ein Pferd aus seiner Komfortzone der "Natürlichkeit" heraus in eine Haltung bringen, in er es einen Reiter tragen kann, dann muss wie schon beschrieben, das Tempo in der Gangart (Trab) erhöht werden. Das kann ein Reiter, insbesondere bei jungen Pferden kaum aussitzen. Deshalb ist der Einsatz der Methode leichttraben zulässig und kann bei korrekter Durchführung dem Pferd gegenüber hilfreich und unterstützend wirken.

Die Anlehnung

Das Pferd soll so geschult werden, dass es in jedem gewählten Rahmen das Gebiss vertrauensvoll sucht und annimmt. Dies ist unter anderen ein Zeichen von der angestrebten Losgelassenheit.

Durch das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen wird genau das geübt. Ausgehend vom ursprünglichen Rahmen und Gangart wird in die nächst niedrigere Gangart gewechselt. Die dadurch hervorgerufene Erleichterung für das Pferd wird noch verstärkt, indem die Zügel nach und nach verlängert werden.

Junge Pferde im Beginn der Ausbildung aber auch ältere kommen durch ungewohnte und/oder anstrengende Trainingseinheiten in eine Stress-Situation. Durch das regelmässige Nachgeben mit der Hand und Streckenlassen werden die angespannten Muskeln entlastet und das Pferd kann sich dabei ausruhen und entspannen.

Durch die dabei eintretene Entspannung setzt die Kautätigkeit ein, begleitet durch die Ausschüttung von Speichel aus der Ohrspeicheldrüse. Nur wenn ein Pferd kaut, wird Speichel produziert.

Aus-der-Hand-kauen-lassen

Das Pferd muss in diesem Moment die Möglichkeit erhalten, abzuschlucken. Dazu muss die Ganasche frei sein, was bei offenen Genick und längerem Hals für das Pferd am leichtesten ist.

Die Ohrspeicheldrüse ist sehr empfindlich und Schwellungen sind nicht selten und können verschiedene Ursachen haben. Eine durch reiterliche Einwirkung auftretende Reizung oder Schwellung wird durch Druck der Ganasche gegen die Ohrspeicheldrüse hervorgerufen durch starke Handeinwirkung ausgelöst.

Das Pferd soll vertrauensvoll von selbst an das Gebiss herantreten. Es wird auf keinen Fall den Schmerz suchen und sich selbst so stark beizäumen, dass sich seine Ohrspeicheldrüse entzündet.





Bei der Ausbildung der Anlehnung muss sich die Halsform auch im Hinblick auf die Ohrspeicheldrüse verändern. Über die Zeit legt sich die Ohrspeicheldrüse so an den Hals an, dass sie der Ganasche nicht (mehr) im Weg ist.

Sobald das Pferd das Gebiss vertrauensvoll annimmt, das bedeutet zum einen es vertraut dem Reiter soweit, dass es weiss, dass er ihm über das Gebiss keine Schmerzen bereiten wird. Nicht will, sondern wird. Zum anderen bedeutet das, dass das Pferd über genügend Selbstvertrauen verfügt, das Gebiss anzunehmen. Das Pferd weiss, dass es das richtig macht. So richtig, dass der Reiter damit zufrieden ist und so, dass es selbst damit zufrieden sein kann.

Das kann und wird Monate dauern, weil sich Muskeln, Sehnen und Bänder umbilden müssen, die Ganasche und die Ohrspeicheldrüse ihre optimale Lage finden müssen und vieles andere mehr.

Also, wenn das Pferd in der gerade gemachten Definition das Gebiss vertrauensvoll annimmt, dann kann zur nächsten Ausbildungphase übergegangen werden. Diese hat zum Ziel bei gleichbleibendem Zügelmass den Raumgriff in den Gangarten zu verändern. Sitz- und Schenkeleinwirkung haben dabei selbstverständlich ihre Bedeutung, für die Anlehnung bedeutet das aber, dass der Reiter mit der Hand nachgibt, ohne den Zügel länger werden zu lassen. Weil das Pferd mittlerweile gelernt hat, die Anlehnung zu suchen, wird es seine Nase nach vorne nehmen, um selbst die Anlehnung aufrecht zu erhalten. Der Hals wird dabei etwas länger, aber nicht nach abwärts, sondern nach vorwärts gerichtet. Dieses Am-Zügel-Streckenlassen ist wesentlicher Bestandteil der Hilfengebung, wenn Verstärkungen und damit erhöhter Raumgriff gefordert werden. Beim Zurückführen der Hand im Zusammenwirken aller anderen Hilfen wird das ursprüngliche Gangmass wieder hergestellt. Durch eine stillstehende, also nicht nachgebende Hand bei Unterstützung wiederum aller anderen notwendig einzusetzenden Hilfen, wird in das Vorwärts-Aufwärts übergegangen.

Das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen in Richtung vorwärts-abwärts ist somit kein Selbstzweck, sondern hat zum Ziel, eine für die weitere Arbeit brauchbare Anlehnung zu erreichen. Sie ist eine Methode, um das Pferd in seiner Ausbildung bezüglich der Anlehnung auf eine weitere höhere Stufe zu bringen, und damit die Voraussetzung zu schaffen, weitere Stufen zu erreichen.

Rhytmus

Reiten, auch das Kunstreiten fordert den Organismus von Pferd und Reiter. Es hat somit immer einen sportlichen Aspekt, auch wenn der Reitsport ansich abgelehnt wird.

Egal, ob ein Aufgalopp im Gelände, ein Sprung über einen Baumstamm oder eine Traversale in der Bahn, die auszuführende Lektion soll so ausgeführt werden können, dass die Gesundheit von Reiter oder Pferd nicht beeinträchtigt werden.

Es muss somit eine angemessene Grundkondition aufgebaut werden, damit Ermüdung oder Erschöpfung nicht auftreten und somit Gesundheitsrisiken möglichst ausgeschlossen werden.

Im lockeren "Vorwärts-Abwärts", bei dem sich das Pferd ausbalanciert und rhytmisch bewegen kann, wird durch andauerndes rhytmisches Atmen, einhergend mit entsprechender Blutzirkulation der Organismus gestärkt und die Grundkondition gesteigert. Die Muskulatur lockert sich dabei und das Pferd wird mehr und mehr zufrieden.

Diese Art zu reiten fördert die Kondition und das Rhytmusgefühl des Reiters ebenso.

Kontext Anatomie

Die Werke der alten Meister sind durch jahrhunderte lange Erfahrung in der Ausbildung von Kriegs- und Gebrachspferden geprägt. Die wenigen schriftlichen Werke, die angefertigt wurden, basieren auf dem damals vorhandenen Wissen. Hauptsächlich wurden die Kenntnisse mündlich überliefert. Dazu dienten Reitakademien (z.B. in Neapel) und Militärschulen (z.B. Spanische Hofreitschule).

Über die Epochen hinweg hat sich die Reitlehre verändert, zu einer Zeit gab es aber immer die eine "richtige" Reitlehre, die vorrangig durch ihren Zweck geprägt war. Der war in erster Linie militärischer Natur, wobei sich davon im Barock die Reitkunst abspaltete und in der weiteren Entwicklung als höhere Schule der Campagne-Schule betrachtet wurde.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der sportliche Aspekt immer populärer, der militärische verschwand fast gänzlich. Dressurreiten wurde 1912 olympisch. Der Stellenwert der Deutschen Reitlehre stieg seitdem stetig an. Seit einigen Jahren aber schwindet die Akzeptanz des tonangebenden Vertreters des Reitsystems, welches auf den Richtlinien für Reiten und Fahren basiert. Es bildeten sich Reitverbände mit alternativen Reitweisen und -systemen. Manche davon besinnen sich auch auf Methoden von Reitmeistern, die bereits seit langem in Vergessenheit geraten sind.

Als gemeinsamer Nenner aller vergessenen und bekannten Reitweisen kann man am ehesten das Pferd selbst, dessen biomechanischen Funktionen heranziehen, wenn die Methode objektiv bewertet werden soll. Im Sinne der Reitkunst ist das allemal, da dort stets die Devise galt:

"Natur ohne Kunst ist möglich, Kunst ohne Natur aber nicht."

Ein Reitlehrer, ungeachtet welche fachliche Qualifikation er mitbringt, müsste deshalb heutzutage mindestens eine physiotherapeutische Ausbildung haben, um die biomechanischen Auswirkungen des gerade angewandten Reitsystems beurteilen zu können.

Man muss sich einmal klar machen, welche ungünstige Ausgangsposition für eine objektive Beurteilung heututage besteht. Die ungeschütze Berufsbezeichnung "Reitlehrer", der sich jedermann bedienen kann, gleich ob er sich seine Qualifikation völlig autark angeeignet hat, oder sich staatlichen oder verbandsbestimmten Ausbildungswegen unterworfen hat.

Gepaart mit der ebenfalls ungeschützten Berufsbezeichnung Physiotherapeut, für den es keine staatliche Kontrollinstitution gibt, sondern eine Ausbildung, wenn sie denn angestrebt wird, bei diversen privaten Schulen abgeschlossen werden kann.

Es erscheint offensichtlich, dass aufgrund der Vielzahl der bestehenden Reitweisen und Methoden Uneinigkeit besteht, welche denn die "richtige" ist. Leider finden sich auch in den Aussagen der Physiotherapeuten Widersprüche oder sie werfen weitere unbeantwortete Fragen auf.

Es bleibt also weiterhin schwierig eine umfassend befriedigende Antwort auf die hier vorligende Frage nach der Berechtigung vom Reiten in "Vorwärts-Abwärts" zu geben. Versuchen wir es dennoch, und finden sie nicht, dann werden uns (hoffentlich) wenigstens die Zusammenhänge klarer und wir machen das, was schon ein "wirklich" alter Meister Max von Weyrother Anfang des 19. Jahrhunderts gefordert hat:

"... der Bereiter muss nicht allein reiten, sondern auch denken ...

Die Muskelketten

Muskelketten

Es werden zwei Muskelketten am Pferd unterschieden. Die Streckerkette, im Bild sind das die Muskeln 1 bis 9, liegt oberhalb der Wirbelsäule und hinter der Hüfte und sorgt für den Vorwärtsschub des Pferdes.

Die andere Muskelkette, die Beugekette (10 bis 17) verläuft unterhalb der Wirbelsäule und vor der Hüfte. Sie ist verantwortlich für die Stabilität des Körperkerns und entscheidend für die Versammlungsfähigkeit.

Auf dem Bild ist ein Pferd in natürlicher Haltung im Trab zu sehen. Auf der rechten Seite wird die Beugerkette angespannt, um das Untertreten des rechten Hinterfusses zu veranlassen sowie das Schulterblatt nach vorne zu rotieren und so das Vorderbein nach hinten führen.

Beim Vorführen des Hinterbeins werden die Gelenke des rechten Hinterbeins gebeugt und die rechte Hüfte senkt sich ab. Um das rechte Hinterbein nach vorne zu ziehen, müssen die Bauchmuskeln der rechten Seite angespannt werden. Das führt ausserdem zu einer Rotation des Rumpfes nach links, wodurch das rechte Hinterbein Platz hat nach vorne zu greifen.

Dabei entspannt sich die Streckerkette auf der rechten Seite, insbesondere der lange Rückenmuskel, die Kruppenmuskeln und der Oberschenkelbeuger werden gedehnt.

Gleichzeitig wird auf der linken Seite die Streckerkette aktiviert, um den Schub aus der Hinterhand zu ermöglichen und somit das Pferd nach vorne zu schieben. Dabei wird die Energie, welche beim vorherigen Untertreten über die Spannsägenkonstruktion im Hinterbein aufgebaut worden ist, durch Streckung des linken Hinterbeins freigesetzt.

Rücken- und Kruppenmuskulatur spannen sich an und heben den Rumpf auf der linken Seite an.

Das Schulterblatt rotiert nach hinten, das Vorderbein wird nach vorne gezogen.

Das Nacken-Rückenband

Nacken-Rückenband

Das Nackenrückenband besteht aus 2 Teilen: Dem Nackenstrang, einem sehnigen Band (Funiculus nuchae) und der Nackenplatte (Lamina nuchae). Der Nackenstrang (Funiculus nuchae) ist das stärkste und längste Band im Pferdekörper. Dieser sehnige Strang setzt am Hinterhaupt an und verläuft über die Nackenplatte hinweg zu den Brustwirbeln des Widerristes (genauer gesagt setzt es am Dornfortsatz (Processus spinosus) des 3. – 4.en Brustwirbels an und bildet dort die Widerristkappe. Von dort aus verläuft es über die gesamte Brustwirbelsäule hinweg bis hin zum Kreuzbein. Diesen Teil des Nackenbandes nennt man auch Rückenband (Ligamentum supraspinale). Konkret kann man sagen, dass der Verlauf des Nackenstrangs das beschreibt, was wir Reiter als die “Oberlinie des Pferdes” bezeichnen. Die Nackenplatte (Lamina nuchae) ist eine Konstruktion aus paarigen Elementen, die wie ein Fächer von den Halswirbeln 2. bis 7. (C2 bis C7) ausgehend zum kaudalen Drittel des Nackenbandes verläuft.

Das Nackenrückenband ermöglicht dem Pferd ohne Muskelaufwand, seinen Kopf in der Höhe und waagrecht zu tragen. Es ist für das Verständis wichtig, dass dem Pferd eben nicht der Kopf auf den Boden sinken würde, wenn es seine Muskeln nicht anspannt. Im Gegenteil, lässt das Pferd locker, dann hebt sich die Halswirbelsäule mitsamt Kopf in die Höhe.

Die maximale Dehnung des Nackenrückenbandes ist erreicht, wenn das Pferd den Kopf zum Grasen zum Boden neigt. Dabei werden durch die enorme Hebelwirkung des Halses und die Zugkraft des Nackenrückenbandes die vorderen Dornfortsätze an der Brustwirbelsäule nach vorne gezogen und richten sich auf. Die Brustwirbelsäule insgesamt wölbt sich dabei leicht nach oben. Der Widerrist senkt sich dabei ab.

Die Funktion des Nackenrückenbandes kann sehr leicht verhindert werden, indem ein relativ leichter Druck auf den Rücken im Bereich der vorderen Brustwirbelsäule ausgeübt wird. Umso mehr durch das Gewicht eines Reiters. Die Wirbelsäule kann sich dann nicht mehr nach oben wölben. Die Spannung muss irgendwo in der Vorhand ausgeglichen werden.

Es ist an dieser Stelle wichtig zu verstehen, dass die Funktion im naturbelassenen Zustand (ohne Reiter) eine völlig andere ist, als die, welche unter reiterlichen Einwirkung stattfindet. Eine Wölbung der Brustwirbelsäule durch das Nackenrückenband findet unter dem Reiter nicht mehr statt. Trotzdem wird der Widerrist weiterhin nach unten gedrückt.

Dies hat zum einen gravierende Auswirkungen auf die Stossdämpferfunktion der Vorhand und zum anderen auf die Bewegungsmöglichkeit des Pferdes durch Belastung des langen Rückenmuskels.

Die gezahnten Muskelgruppen, welche das Nackenrückenband mit der Brustwirbelsäule verbinden, müssen während der reiterlichen Gymnastizierung gestärkt und verkürzt werden, damit der Brustkorb gehoben werden kann, um das unvermeidliche Absinken des Widerrists abzumindern.

Die Aufhängung des Brustkorbs

Aufhängung des Brustkorbs

Das Pferd hat kein Schlüsselbein. Die Verbindung des Rumpfes mit den Vorderbeinen ist über eine spezielle Aufhängung von Muskeln gelöst, thorakale Muskelschlinge genannt.

Ein Grossteil der Vorwärtsbewegung entwickelt das Pferd über die Vorhand. Dies wird insbesondere im Schritt deutlich, bei dem es keine Schwebephase gibt, welche die Vorwärtsbewegung unterstützen könnte.







Kopf-Arm-Muskel

Im Wesentlichen sind dabei der Kopf-Arm-Muskel sowie der breite Rückenmuskel beteiligt. Der Kopf-Arm-Muskel hat zum einen die Aufgabe das Vorderbein zu heben und nach vorne zuführen und zum anderen den Hals nach unten zu beugen. Um ein Vorderbein nach vorne zu führen zieht sich der Kopf-Arm-Muskel auf der entsprechenden Seite zusammen. Das führt gleichzeitig zu einem Beugen des Halses in Richtung des vorgreifenden Vorderbeins.

Bei der Kontraktion (Beugung) des Kopf-Arm-Muskels entspannt sich der breite Rückenmuskel auf der entsprechenden Seite des Pferdes, bzw. er muss locker sein, damit das Bein am Vorwärtsschwingen nicht behindert wird.





Aufhängung des Brustkorbs

Der breite Rückenmuskel entspringt aus dem Rückenband und der Brust-Lendenfaszie und setzt auf der Innenseite des Schultergelenks an. Sobald das Pferd seinen Vorderfuss am Boden aufsetzt, beginnt sich der breite Rückenmuskel auf der entsprechenden Seite zusammenzuziehen und stemmt seinen Rumpf über das am Boden fixierte Bein nach vorne.

Gleichzeitig entspannt sich sein Gegenspieler der Kopf-Arm-Muskel und der Kopf des Pferdes hebt sich. Diese Nickbewegung muss unbedingt zugelassen werden, insbesondere beim jungen Pferd oder raumgreifenden Schritt. Wird dies durch Handeinwirkung verhindert oder eingeschränkt, führt das zu Verspannungen im breiten Rückenmuskel und somit im gesamten Rücken und in Folge ist die gesamte Streckerkette betroffen.

Ist der breite Rückenmuskel verspannt und/oder verkürzt, verhindert das ein Vorgreifen des Vorderbeins durch den Kopf-Arm-Muskel, was in Folge die gesamte Bewegungsmechanik blockiert.

Durch tiefes Einstellen des Pferdehalses kann sich der Kopf-Arm-Muskel nicht mehr ausreichend entspannen, um das Anheben des Kopfes zuzulassen. Der Brustkorb sinkt immer weiter in seine Haltevorrichtung (Trageapparat) Bis ein weiteres Absinken mit der einhergehenden Stossdämpferfunktion nicht mehr gegeben ist.

Von da an müssen die Beine, sprich Gelenke, Sehnen und Bänder die Energie beim Auffussen absorbieren. Im Trab und Galopp ist das ein Vielfaches als im Schritt. Die Folge sind Verschleiss und Verletzungen vor allem der Vordergliedmassen.

Die Spannsägenkonstruktion

Spannsägenkonstruktion

Das Hinterbein des Pferdes bietet eine anatomische Besonderheit, die Spannsägenkonstruktion. Sie verbindet Knie und Sprunggelenk miteinander, somit arbeiten Knie und Sprunggelenk gemeinsam in gleicher Bewegungsrichtung. Die Beugung des Kniegelenkes nimmt das Sprunggelenk mit in die Beugung, das gleiche gilt für die Streckung. Der passive Stehmechanismus wird durch die Streckung unterstützt. Das Pferd kann die Kniescheibe auf dem Oberschenkel fixieren, damit ist das Knie in Streckung arretiert, das Sprunggelenk damit auch, das Pferd kann fast ohne muskulären Aufwand auf dem Bein stehen, dazu das andere entlasten.

In der Bewegung wirkt die Spannsägenkonstruktion wie eine Sprungfeder. Verantwortlich dafür ist die genannte Art der Verbindung von Knie- und Sprunggelenk. Im Vorwärtstreten mit dem Hinterbein muss das Pferd mit Muskelkraft die Beugung von Knie - und somit auch - von Sprunggelenk ausführen. Dazu kommt ein aktives Beugen des Hüftgelenks, was insgesamt dann die Hankenbeugung ergibt.

Die Hankenbiegung ist die vermehrte Anwinkelung der Gelenke von Hüfte, Knie und Ferse (Sprunggelenk). Bekanntermassen ist die Hankenbiegung für die Versammlung relevant. Aber ebenso in der Vorwärtsbewegung mit Schubentwicklung. Auch in höherem Tempo (als in der Versammlung) werden die Hanken gebeugt und das gesamte Hinterbein an die Schwerpunktlinie herangeführt.

Das Auffussen sowie das folgende Abdrücken vom Boden wird durch die Spannsägenkonstruktion sehr stark unterstützt. Die Energie, die beim Beugen des Hinterbeins aufgebaut wurde, wird ohne weitere Muskelunterstützung während des Auffussens freigesetzt. Dabei unterstützt die Federwirkung das nächste Abfussen, wenn beim Auffussen Knie und Sprunggelenk noch (etwas) gebeugt sind.

















Die Ohrspeicheldrüse

Ohrspeicheldrüse

Wie der Name schon sagt, wird hier Speichel produziert, bis zu 15l pro Tag. Die Ohrspeicheldrüse liegt oberflächlich in der Ganasche, also in dem Raum zwischen Unterkieferast und dem ersten Halswirbel. Durch den Ausführungsgang wird der Speichel in die Maulhöhle geleitet.

Nur wenn das Pferd kaut, wird von der Ohrspeicheldrüse Speichel ausgeschüttet.

Kaut das Pferd entspannt ab, ist der Kopf meist leicht gesenkt, die Lippen leicht geöffnet und die Zähne und oder Zunge sichtbar, eine horizontale Kaubewegung ist erkennbar. Durch diese Aktivierung der am Kauvorgang beteiligen Muskeln lockert sich das Genick. Es ist also ein Vorgang, der das Pferd entspannt.

In der Reiterei ist dieses Kauen erwünscht und wird als Zeichen der Losgelassenheit gewertet, es findet sich sogar eine Turnier Aufgabe dazu, nämlich das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen. Es eignet sich optimal, um die innere und äußere Losgelassenheit des Pferdes zu überprüfen.

Vermehrtes Kauen, ohne Zungeschlecken und oder Entspannungshaltung, kann jedoch auch eine Reaktion auf Stress sein. Leerkauen wird bei Pferden meist in Situationen beobachtet, in denen Spannung abgebaut wird und Entspannung eintritt. D.h. wenn beispielsweise eine Frage, die vom Menschen gestellt wird (eine Aufgabe / Lektion), vom Pferd verstanden und korrekt beantwortet wird und das Fragen (Druck) entfällt. Oder auch, wenn es die Frage zunächst falsch beantwortet, korrigiert oder noch einmal gefragt wird, also wenn es nachdenkt, also häufig der sogenannte Aha-Moment.

Nervöses Kauen äußert sich meist bei Pferden, die Angst haben, überfordert sind oder Schmerzen haben. Oft wird hierbei der Unterkiefer stark auf den Oberkiefer gedrückt, sodass das Aufschlagen der Zähne aufeinander hörbar ist. Gründe können unpassendes Equipment und Stresssituationen durch konditionierte Druck- und oder Zwangsmaßnahmen im Training sein. Durch dieses nervöse Kauen wird versucht, negativen Stress abzubauen oder aber es ist bereits eine manifestierte Zwangsstörung.

Der Hufmechanismus

Das Vorwärts-Abwärts-Reiten fördert nicht nur die "fachliche" Ausbildung des Pferdes sondern hat insbesondere eine "sportliche" Komponente.

Durch die vermehrte Vorwärtstendenz im frischen Arbeitstempo wird das Herz-Kreislauf-System des Pferdes vermehrt angeregt und somit ausdauerfördernde Trainingseffekte ausgelöst. Damit die positiven Trainingsreize einsetzen können ist ein gleichmässiger Rhytmus der Bewegungen ausschlaggebend.

Der für das jeweilige Pferd passende Rhytmus muss erst gefunden werden. Eine dauerhaft gleichbleibende zeitliche Abfolge von Schritt-, Tritt- oder Sprung-Bewegungen gepaart mit dem optimalen Tempo führen zu einem rhytmischen Bewegungsablauf der den Organismus bei der Atmung und Durchblutung unterstützt, stabilisiert und verbessert.

Wesentlicher Bestandteil des Herz-Kreislauf-Systems ist der Hufmechanismus. Beim Auffussen wird das sauerstoffarme Blut aus den Gefässen gedrückt und Richtung Herz geschickt. Frisches Blut wird beim Abfussen in den Huf, insbesondere für die Bildung von Hornzellen in Lederhaut und Kronrand nachgeführt.

Ein Ausdauersportler trainiert die meiste Zeit im aeroben Bereich und verorgt seine Muskeln dabei durch Umwandlung von Sauerstoff mit Energie. Voraussetzung dabei ist eine dauerhaft ausreichende Sauerstoff-Zufuhr über das Blut zu den Muskelfasern.

Dies wird am besten gewährleistet, wenn die Bewegungen rhytmisch sind, da sich Atmung und Durchblutung aufeinander abstimmen können und so über längere Zeit eine gleichbleibende Sauerstoffzufuhr erreicht wird.

Wenn der Rhytmus einmal gefunden worden ist, also für den Stoffwechsel optimales Zusammenspiel von Bewegung, Atmung und Durchblutung, dann kann die Schritt-, Trab- oder Sprung-Länge variiert werden.

Beim Pferd fungieren die Hufe als "kleine Herzen", die über ihren Hufmechanismus den Blutkreislauf unterstützen. Um optimale Leistung abrufen zu können müssen die einzelnen "Hufpumpen" mit dem übrigen Herz-Kreislauf-System in Einklang gebracht werden.

Die Hufe müssen also im richtigen Moment in gleichmässiger Abfolge und Intensität auf- und abfussen, damit über ihren Mechanismus das Herz-Kreislauf-System unterstützt werden kann.

Dies kann man mit Vorwärts-Abwärts-Reiten erreichen, in dem rhytmische Bewegungen in optimalem Tempo und Takt, abgestimmt auf das jeweilige Pferd gefunden und beibehalten wird.